Übermalerei

Auszug aus einem E-Mail Austausch mit Dr. Till Julian Huss,

[…] Die Frage inwieweit meine künstlerische Praxis eine grundlegende Arbeit an der Malerei, ihren Grenzen und Entgrenzungen ist, ist sehr gut gestellt. Ja, es ist Malerei über Malerei und über ihre Rahmenbedingungen der Produktion, Präsentation, Rezeption. Wie überhaupt und was „Kreativität“ und den Moment des Malens ausmacht, wieviel Bewußtes und wieviel Intuitives einfließen, interessiert mich. Es gibt immer ganz freie „open mind“ Aktivität innerhalb meiner malerischen Arbeit, das Ganze ist aber doch sehr konzeptuell und systematisch. Ich mixe Realismen ausstückshaft in Form von Farbe, die so gesetzt ist, dass zum Beispiel „Himmel“ oder „Wolken“ gemalt sein könnten, auch wenn alles nur eben Farbe neben, hinter, über Farbe ist mit Formen von Farbe, die halt Formen von Farbe sind, und da bemühe ich mich um Reichtum und Diversität und weites Repertoir sowohl in Auftrag, Palette, Zeitlichkeit des Auftrags und Variation der Technik und dann gibt es Farbe, die als Farbe so gesetzt ist, dass sie das einmal im Bildentstehungsprozess fixierte Malerkrepp oder Schablonenmaterial trompe-l’oeil mäßig nachahmt, während an anderer Stelle Leerstellen entstehen durch Abziehen oder Entfernen derart zur Bildentstehung hinzugezogener und eingesetzter Materialien…

Ein Bild ist ein Bild ist ein Bild. Wann und wo beginnt Malerei? Wieviel Bild ist Bild. Welches Bild erinnert (an) welches Bild. Was soll denn Innovation sein? Wo ist der Fehler? Wo das Original, die Kopie, das Zitat…was ist Bildraum, Raum? Welche Räume eröffnen sich für Betrachtende und Besuchende? Ich fühle mich übrigens durch mein familiäres Gefüge mitunter so systematisiert und rhytmisiert und organisiert, dass ich all das Teil meiner Arbeit werden lasse und Ausbrüche suche, inszeniere, Alleinstellung eines einzelnen Elements propagiere und sofort negiere oder nihiliere.

Zu meinem Verhältnis zu Sprache. Ja, ich habe auch Französisch und Italienisch studiert und Latein geliebt und lerne leicht Sprachen.

Meine Bilder sind wie Seme für mich. Vielleicht sogar noch kleinere Einheiten. Oder auch mal größere. Dann ein Wort oder ein Satz oder eine Setzung. Und dann kommt die Syntax und die funktioniert in jedem Raum neu. In jedem Sehen wieder neu. Und ist nicht permanent. Gebilde. Nicht festes Bild. Gefüge. Nicht fügsam. Auch Titel sind keine festen Zuordnungen unterzuordnen. Das Bild kann den Titel wechseln. So wie den Ort. Und wenn ein einzelnes einen festen Ort bekommt, bekommt es für diesen einen Titel. Und das Ensemble mehrerer Bilder kann auch einen Titel bekommen und ich schreibe, wie es fließt und ich zeichne, wie es kommt. Und ich wußte jetzt nicht, wie ich Skizzenbücher ausstellen konnte, und habe entschieden, das einfache Blättern der Skizzenbücher zu filmen und diesen Film vermutlich innerhalb der Ausstellung mit Johanna einmal in schnell und einmal in langsam zu zeigen und Teil der ganzen Syntax werden zu lassen.

[…]

Karin Kopka-Musch, 2019.